Das Pferd spielt seit einer sehr langen Zeit eine besondere Rolle in der Menschheitsgeschichte. Das Besteigen des Pferderückens war von unschätzbarem Wert und trug maßgeblich zur Weiterentwicklung der Menschheit bei.
In vielen Kulturen gibt es unzählige Sagen und Geschichten um das Pferd. Die »Naturvölker« sprechen von Krafttieren. Bei den Schamanen symbolisiert es Macht. Es hat die Fantasie der Menschen auf vielerlei Ebenen angeregt. Immer aber ist das Pferd ein Inbegriff von Kraft, Schönheit, Eleganz und Schnelligkeit (I. Pietrzak, Kinder mit Pferden stark machen).
Besonders Kinder scheinen ein grundlegendes besonderes Bedürfnis zu haben, den Kontakt zu Tieren zu suchen. Tiere schaffen ein ungezwungenes, lebensfrohes Klima, von dem sich selbst schwierige Kinder ansprechen lassen. Oft fällt es ihnen leichter, einen Zugang zu ihnen zu finden als zu Menschen (M Gäng, „Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren 2015, S. 24).
Beim Umgang und der Beschäftigung mit dem Pferd beobachte ich regelmäßig, dass Kinder viel Spaß und oft lustige Situationen erleben - das Pferd fungiert als Spielpartner. Sie erfahren, dass das Tier sie vorbehaltlos annimmt und akzeptiert. Das vermittelt ihnen ein Gefühl von Wertschätzung, welches sie darin unterstützt, sich selbst wahrzunehmen und ein positives Selbstbild zu entwickeln. Zudem können Tiere das individuelle Verlangen nach Sicherheit befriedigen.
Die sozialen Wünsche wie Zugehörigkeit, soziale Bindung und Liebe erfüllt das Tier durch seine Zuneigung, das ihm entgegengesetzte Vertrauen und durch seine Rolle als Vermittler.
»Auf einem großen Pferd als kleiner Mensch, wenn auch nur für Sekunden, durch die Luft zu fliegen, die Geschwindigkeit zu genießen und mit der großen Bewegung des Pferderückens in Übereinstimmung sein, ist eine Heldentat, denn sie erfordert Mut und Vertrauen, ist ein Abenteuer und Erlebnis, das alle Sinne und damit den ganzen Menschen erfasst.«
(I. Pietrzak, Kinder mit Pferden stark machen.)
Bereits seit dem Altertum ist bekannt, dass Pferde sowohl auf den Geist als auch den Körper eine positive Auswirkung haben. Ende der 50er-Jahre wurden Pferde bereits bei der Behandlung motorisch eingeschränkter Menschen eingesetzt. Durch das rhythmische Bewegt- und Getragenwerden auf dem Pferderücken ergaben sich neue, alternative bzw. ergänzende Interventionsmöglichkeiten für neurophysiologische Störungen. So entstand die Hippotherapie. Anfang der 60er-Jahre entwickelte sich zudem ein eigenständiger Ansatz für die Pferdegestützte Intervention auf heilpädagogischer Grundlage - das Heilpädagogische Reiten und Voltigieren (M. A. Vernooij, S Schneider, Handbuch der tiergestützten Intervention, 2018, S. 208 und M. Gäng, Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren, 2003, 2004).
Das Pferd hat durch seine besondere Ausstrahlung eine besondere Wirkung auf den Menschen, welches sich auf die Psychomotorik, das Sozial- und Kommunikationsverhalten und die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Wir können also die pferdegestützte Intervention als einen ganzheitlichen Ansatz ansehen. Die Bewegung des Pferdes, die eigenen Bewegungen auf und am Pferd und die Reaktion des Pferdes auf das gezeigte Verhalten fördern sowohl die körperliche als auch die geistige und soziale Entwicklung (M. A. Vernooij, S. Schneider, Handbuch der tiergestützten Intervention, 2018, S. 211).
Ein besonders zu betonender Aspekt in der pferdegestützten Intervention bezieht sich auf die feine Wahrnehmung und die äußerst differenzierten Ausdruckssignale, die das Pferd als Herden- und Fluchttier mit sich bringt. Es reagiert unmittelbar, klar und offensichtlich. Zudem ist es sehr empfänglich für Stimmungen und Ängste. Durch seine Reaktionen darauf spiegelt es sein Gegenüber. Diese Kommunikationseigenschaft kann man sich in der tiergestützten Arbeit sehr zu Nutze machen.
Darüber hinaus ist das Pferd stets unvoreingenommen und begegnet jedem Menschen - egal mit welchem Handicap oder mit welcher Vorgeschichte - auf Augenhöhe. Es bewertet und verurteilt nicht.
Das Angebot im therapeutischen Reiten sowie die Weiterbildungen für Fachkräfte haben sich in den letzten Jahren zunehmend professionalisiert und somit dazu beigetragen, dass pferdegestützte Angebote einen festen Platz in der pädagogischen, therapeutischen und psychotherapeutischen Arbeit sowie dem Freizeitsport für Menschen mit Handicap eingenommen haben (C. Pauel, I. Urmoneit, Das Pferd im therapeutischen Reiten, 2015).
Das Pferd bringt also ganz vielfältige Möglichkeiten mit sich, die je nach Einsatzbereich zum Tragen kommen.